Von Oliver ‚Wyld Rose‘ Kyr, Tatjana und Bonnie Marie Kühr und noch viele andere wundervolle Menschen! Ein Projekt in der Zeit des Carona-Virus, wo die Menschheit im Rückzug ist!
Story 1
Melody Moonchild & die Schnee-Eule
„Zwei Wochen zu Hause?“
Melodys Augen fielen fast heraus.
Sie konnte es gar nicht glauben.
Ihre Mama zuckte mit den Schultern.
Irgendein Virus plagte die ganze Welt und die Politiker – das waren Menschen mit Krawatten, die im Fernsehen immer viel redeten – hatten jetzt bestimmt, dass alle Menschen zu Hause bleiben müssten.
Zwei ganze Wochen lang.
Wegen Ansteckung und so.
Melody Moonchild war acht Jahre alt. Sie hatte blaue Augen und sie liebte Abenteuer:
Am Nachmittag durchs hohe Gras streifen.
Sich von Butterblumen kitzeln lassen.
Die Füße in den kalten, sprudelnden Bach hängen.
Katzen in ihren Verstecken aufspüren. Sie hinter den Ohren kraulen.
Auf hohe Bäume klettern und die Welt von oben sehen.
Das alles liebte Melody sehr. Das war ihr Leben.
Aber zwei Wochen zu Hause bleiben? Nicht mehr rausgehen? Ihre Freunde nicht sehen?
Das würde bestimmt sehr langweilig…
Nach dem Abendessen kuschelte sich Melody Moonchild in ihr Bettchen. Sie umarmte ihr Plüsch-Einhorn mit dem magischen lila Horn und den gelben Sternen auf dem Rücken. Durch die Tür hörte sie ihre Eltern leise reden.
„Ich hab‘ Angst“, sagte ihre Mama auf einmal.
Plötzlich bekam Melody auch Angst.
Aber sie wusste nicht wovor.
Die Angst schlich sich in ihren Bauch. Sie schlich sich in ihren Kopf.
Melody drückte ihr kleines Einhorn ganz fest an sich und schloss die Augen.
Melody wachte auf und schaute sich verwirrt um.
Es war stockdunkel. Und es war bitterkalt.
Melody suchte ihr kleines Einhorn. Es war nicht da.
Melody hatte Angst. Im Bauch vor allem.
Sie sah sich in der Dunkelheit um. Ihr Herz schlug plötzlich ganz schnell.
Sie lag unter einem dunklen Baum, mitten im Wald.
Keine Decke, kein Bett, kein kleines Plüsch-Einhorn.
Die Angst in ihrem Bauch breitete sich aus, wie zäher Sirup. Melody atmete einmal tief durch. Dann schaute sie sich um.
Sie war alleine in einem finsteren Wald. Es war furchtbar kalt. Die Bäume rauschten im kalten Nachtwind.
Dann hörte Melody die gruseligen Geräusche.
„Rrrrrrr“, hinter einem Baum.
„Kchhchchchh“, dort unter einem Busch.
„Ssssssss“, direkt vor ihr.
Melody kreischte laut.
Wie war sie nur hierhergekommen?
Wer waren diese Waldwesen?
Würden sie Melody… auffressen?
Und… wie konnte sie wieder nach Hause finden?
Dann nahm Melody ihren ganzen Mut zusammen!
Ihr kleines Herz klopfte wie verrückt. Klopfte gegen die Angst in ihr an.
Melody stand mit einem Ruck auf, atmete tief ein und aus.
Dann sah sie auf einmal einen kleinen Lichtpunt: Weit weg, mitten im dunklen Wald.
Dort musste sie hin, das war Melody klar.
Zu dem Lichtpunkt.
Egal woher das Licht kam.
Und dann lief sie einfach los. Ängstlich, aber trotzig.
Schlüpfte durch dornige Büsche.
Tastete sich an knorrigen, knarzenden Bäumen vorbei.
Patschte mit ihren nackten Füßchen durch eklige Matschpfützen.
Streifte etwas Gruseliges aus Fell, das böse knurrte.
Melody hatte riesige Angst.
In ihrem Bauch.
In ihrem Kopf.
Aber dann hatte sie eine Idee. Schließlich hieß sie Melody…
Sie begann, eine kleine, leise Melodie zu summen.
Und die Angst ging ein bisschen weg. Nur ein bisschen, aber das machte Melody Mut.
Vielleicht, dachte sie, mag die Angst mein Singen nicht.
Gut so!
Das warme Licht, das zuerst nur ein kleiner Punkt war, wurde größer.
Erst wie ein Stecknadelkopf.
Dann wie eine Untertasse.
Dann wie ein kleiner See aus Licht.
Ein letztes dichtes Gebüsch noch, dann stand Melody Moonchild auf einer kleinen Lichtung. Mit vor Staunen offenem Mund guckte sie nach oben.
Dort, mindestens 10 Meter über ihr, saß auf einem dicken Ast eine weiße Schnee-Eule und schaute sie aus großen, liebevollen Augen an.
Die Schnee-Eule war umgeben von warmem Licht, das die ganze Lichtung einhüllte. Wie eine Seifenblase aus Licht…
Die Sterne und der Halbmond auf Melodys Schlafanzug glühten.
Der Waldboden glitzerte magisch.
Sogar Melodys Herz glühte, wie durch Zauberei.
„Hallo Eule“, wisperte Melody.
„Schuuuhuuu, hallo Melody“, gurrte die Eule zurück.
Woher kannte die Eule denn Melodys Namen?
„Ich hatte so Angst“, flüsterte Melody.
„Ich weiß“, schuhuuute die Eule zurück, „Angst ist nicht schön. Aber weißt du was:
Bleib‘ einfach in meinem Licht.
Da traut sich die Angst nicht hin.“
„Echt nicht?“, fragte Melody.
„In Tausend Jahren nicht“, lachte die Eule.
‚Stimmt‘, merkte Melody.
Die Angst war auf einmal weg.
„Ist das ein Zauberlicht?“, fragte sie die Eule.
Die Eule lachte herzlich: „Natürlich.“
„Wie heißt du?“, fragte Melody die Schnee-Eule.
„Luzie-Lu“, sagte die Eule.
Es war schön, hier auf der Lichtung im friedlichen Licht der Schnee-Eule zu stehen.
Aber Melody wollte heim.
Zu ihrer Mama und ihrem Papa.
Und als ob die Eule Gedanken lesen konnte, gurrte sie
„Komm‘ ich bring‘ dich heim.
Bleib‘ einfach in meinem Licht…“
Und schon breitete die Eule ihre Flügel aus. Sie flog los.
Langsam, ganz langsam.
So dass Melody ihr im Lichtschein folgen konnte.
Luzie-Lu flog sicher und elegant durch den dunklen Wald. Melody stolperte ihr hinterher.
Fiel fast über eine Wurzel.
Blieb einmal fast im Schlamm stecken.
Verhedderte sich im Dornengestrüpp.
Aber die Angst in ihrem Bauch und in ihrem Kopf waren weg. Als ob die Angst sich nicht ins Licht der Schnee-Eule trauen würde.
Hätte ich bloß so ein Licht, dachte Melody Moonchild.
Dann hätt‘ ich nie mehr Angst.
So flogen und stapften die Eule und das Mädchen durch den Wald.
Und endlich sah Melody ihr Haus vor sich.
Dort, auf dem kleinen Hügel.
Hell waren die Fenster. Voller Licht.
Die Schatten von Mama und Papa bewegten sich hinter den Fenstern.
Bestimmt warteten sie schon auf Melody.
Melody schaute hoch. Sie wollte sich bei Luzie-Lu, der lieben Schnee-Eule bedanken.
Aber da war keine Eule mehr im dunklen Nachthimmel über ihr.
Verwirrt guckte Melody sich um. Keine Eule weit und breit.
Aber das warme Licht strahlte immer noch um Melody herum.
Wie ging das denn? Ohne die Eule?
Und dann gurrte die Stimme von Luzie-Lu leise in Melodys Ohr:
„Liebe Melody, weißt du denn nicht?
Ich lebe in dir drin.
In deinem Herz.
Ich lebe in jedem Herz.
Von jedem Menschen auf der Welt.
Und wer mein Licht braucht
der sagt einfach den Zauberspruch:
‚Schuhuu, Luzie-Lu, Schuhuu‘.
Und schon brennt das Licht.
Um euch herum.
Auch wenn ihr es nicht seht.
Und die Angst wird sich
nicht mehr zu euch trauen.“
Und tatsächlich:
Immer wenn Melody die Angst in ihrem Bauch spürte.
Immer wenn Melody von nun an die Angst in ihrem Kopf spürte.
Dann sagte sie leise den Zauberspruch:
‚Schuhuu, Luzie-Lu, Schuhuu.‘
Und dann kam das Kribbeln in Melodys Herz.
Und dann spürte sie das warme Licht um sich herum.
Und die Angst verflog.
Einfach so.
Und als Melody Moonchild am nächsten Morgen in ihrem Bettchen aufwachte, freute sie sich schon auf das nächste Abenteuer.